Stotterfreies Leben? Geht doch.
- von Thomas Spemann, Heilpraktiker (nur Psychotherapie), Hypno-Coach, Systemischer Berater (in Fortbildung SG)
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- 30 März, 2019
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Wie psychogenes Stottern überwunden werden kann
Gemeint: psychogenes Stottern
Wenn im Folgenden von Stottern die Rede ist, dann ist das sog. psychogene Stottern gemeint. Viele junge Kinder beginnen zu stottern und verlieren ihr Stottern nach einer Weile wieder. Niemand weiß genau, warum. Es bleibt nach Kindheit und Pubertät 1 – 2 % der erwachsenen Menschen übrig, die nach wie vor Stottern. Diese Menschen hatten keinen Unfall oder keine Erkrankung, sondern schleppen ihr Stottern seit ihrer Kindheit mit – ohne genau zu wissen, warum. An diese „psychogenen Stotterer“ wendet sich dieser Artikel, dieser Blog und meine Stotterertherapie.
1-2 % der erwachsenen Männer und Frauen betroffen
Dann eine Korrektur: im Schrifttum war in der Vergangenheit regelmäßig davon die Rede, dass unter den 1-2 % erwachsenen Stotterern hauptsächlich Männer wären. An dieser Annahme sind Zweifel angebracht. Es scheint mir mittlerweile so, dass „Frau“ ihr verbliebenes Stottern besser kaschieren kann als Mann. Sie können mehr schweigen als Männer und werden dann erst einmal als schüchtern beschrieben. Sie können Schwierigkeiten weglächeln, usw. Insoweit geht jede, auch die von mir angebotene, Stotterertherapie für Frauen und Männer.
Ursachenbehandlung statt Symptomlinderung?
Gibt es zwei Herangehensweisen an die Heilung von Krankheiten? In der Praxis gibt es Symptombehandlung und Ursachenbehandlung. Beispiel: Haben Sie Zahnschmerzen, sind Sie für eine erstrangige Symptombehandlung sehr dankbar – Schmerz weg, alles erst einmal gut. Auf Dauer reicht das nicht. Eiter bildet sich, es droht Blutvergiftung. Der faule Zahn muss herausgenommen werden. Die Ursache für den Schmerz wird beseitigt (muss beseitigt werden).
Der Vergleich hinkt ein bisschen, doch im Wesentlichen gilt: Logopädie, Fluency Speaking und ähnliche Modelle arbeiten an den Symptomen des Stotterns. Der Körper soll sich entspannen, der Sprecher / die Sprecherin soll durch physische Mittel die Folgen des Stotterns (Anspannung des Zwerchfells, Atmung, etc.) erleichtern oder gar beseitigen. Die Ursache, die psycho-gene Ursache, wird davon in keiner Weise verändert. Und weil die Ursache bleibt – die Seele des stotternden Menschen ist mit sich im Unreinen -, bleibt das Stottern.
Ein Fallbeispiel
Eine junge Dame – hier soll sie Martina heißen – kommt in meine Therapie. Sie ist Ende 20, hat studiert, arbeitet im Finanzdienstleistungsbereich und möchte beruflich weiterkommen. Ein Jahr bevor sie zu mir kam hatte sie noch eine bekannte Logopädin in Amsterdam gebucht, für deren Besuch nach eigenen Angaben dreieinhalb Tausend Euro ausgegeben und stottert immer noch.
Die junge Dame bucht das Schnupperpaket plus zwei weitere Sitzungen und schon teilt sie mir mit, dass sie jetzt in ihrer Firma einen Vortrag gehalten habe und überhaupt kein Stottern mehr vorgefallen sei. Sie ist begeistert und will diesen Weg weitergehen.
Wie hat das geschehen können?
Die Voraussetzungen waren günstig. Die junge Dame war bereits auf einem guten Weg. Sie war fest entschlossen, ihr Stottern an den Nagel zu hängen, es loszuwerden. Ohne Kompromisse. Sie hatte erkannt, dass ihr Logopädie nichts bringt, um ihr Stottern loszuwerden. Sie wollte einen anderen, einen neuen Therapieansatz.
Im kostenlosen Erstgespräch habe ich meinen Therapieansatz erläutert: wer authentisch lebt und spricht, ist kein Stotterer mehr. Wer stottert, lebt in diesem Moment nicht authentisch. Es geht um den Inhalt, nicht um die Verpackung.
Martina buchte das Schnupperpaket. Während dieser Arbeit unterstütze ich Martina darin, ihre Einstellung und ihre unbedingte Entschlossenheit Wert zu schätzen und zu lernen, dass sie eine schöne Stimme hat. Durch Hypnose lösten wir Blockaden. Durch eine Strukturanalyse erkannten wir gemeinsam die authentische Struktur und die authentischen Werte Martinas. In einer weiteren Sitzung analysierten wir die Situationen, in denen sie noch immer hängenbleibt, Worte austauscht, unsicher wird. Martina entschloss sich, zunächst das Stottern bei der Arbeit anzugehen. In der fünften Sitzung übten wir für den Vortrag und loteten weitere Erkenntnisse aus. Bis jetzt ein Prozess über 3 – 4 Monate mit fünf Sitzungen mit einem Kostenaufwand von ungefähr EURO 700 zuzüglich privater Fahrtkosten und privater Zeit.
Der erfolgreiche Weg wird weitergehen. Und noch eine kurze Weile werde ich Martina begleiten dürfen. Dann würde meine Hilfe ineffektiv; Martina kann dann ihren Weg alleine weiter gehen. Auch das habe ich im Erstgespräch bereits dargestellt.
Ich höre Sie fragen: geht es wirklich so einfach?
Es hört sich so einfach an und ist doch das Ergebnis meiner eigenen, jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Thema, zunächst mit meinem Stottern, dass mit Stottern an sich. Einfach ausgedrückt: bist Du ehrlich mit Dir, stotterst Du nicht.
Kommt man an diesen Punkt, ist auf einmal alles ganz einfach. Es ist so, dass der einzelne Mensch unterschiedlich lange braucht, um an Wendepunkt der Authentizität zu gelangen. Hier liegen die wesentlichen Unterschieden zwischen den Patienten / Patientinnen.
Authentizität statt Potemkin´sche Dörfer
Potemkin´sche Dörfer sind aufgebaut worden für die Zarin Katharina die Große und, zuletzt in Deutschland, in der DDR für Erich Honnecker. Es sind Fassaden, die mehr Inhalt vortäuschen als dahinter ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Potemkinsches_Dorf). Wie Filmkulissen im Ufa-Studio (https://www.ufa.de/).
Die Probleme für die eigene Authentizität kommen von innen und von außen, u.a. durch unsere vollkommen narzisstische Gesellschaft. Wie schrieb neulich ein Autor in einem Artikel in der NZZ über heutige Politiker: das Auftreten und das Aussehen wären deutlich wichtiger als Inhalte. Selfies und Selbstdarstellung, wohin man schaut. Und gerade heute, als ich diesen kleinen Blogbeitrag entwerfe, geht als Schlagzeile durch NTV, dass sich Frau Gais in ihren hohen Absätzen den Fuß zweimal gebrochen habe und jetzt an Krücken laufen würde (https://www.n-tv.de/leute/Carmen-Geiss-stuerzt-in-High-Heels-article20938005.html). Gute Besserung, Frau Gais! Doch: eine Meldung ist das doch wohl nicht wert, oder? Doch – weil wir in eine vollkommen narzisstischen Gesellschaft leben (https://www.focus.de/wissen/wissen-und-gesundheit-narzissmus-im-sog-des-selbst_id_6623262.html).
Das macht es für Stotterer und Stotterinnen noch ein bisschen schwieriger, authentisch zu sein, zu leben und zu sprechen. Dieser erfolgreiche Weg ist geradezu diametral entgegen gesetzt zu dem medial vorgelebten Gesellschaftsideal. Den Stotterern und Stotterinnen muss es vollkommen egal werden, was andere über sie denken oder sagen. Sie müssen lernen, sie selbst zu sein, ohne Kompromisse, ohne falsche Fassade. Ungeschminkt. Dazu gehört Courage, Mut, Entschiedenheit.
Warum Selbstbewusste keine psychogenen Stotterer sind
Warum stottern dann nicht diese ganzen eitlen Gecken (Männer und Frauen), die sich in ihrer Schönheit medial sonnen?
Vermutlich, weil sie dumm genug (oder selbstbewusst genug) sind, sich nicht ausreichend in Frage zu stellen. Außerdem haben sie andere „Sollbruchstellen“, die dem einzelnen Menschen die Chance zum Wachstum schenken. Beim stotternden Menschen ist Stottern sein Leiden, andere bekommen andere Leiden, um auf sich selbst zurück geworfen zu werden, um zu leiden und sich daraus zu entwickeln.
Psychogenes Stottern als Geschenk auf dem Weg zu sich selbst
Es ist für den psychogen Stotternden (Mann, Frau) eine wesentliche Lebensaufgabe, authentisch zu werden. Das ist die Lernaufgabe, der sich der vom psychogenen Stottern betroffene Mensch stellen muss, will er sein Stottern überwinden.
Aus einem positiven Blickwinkel heraus ist das psychogene Stottern ein Geschenk, sich endlich auf den Weg zu sich selbst zu machen. Auf diesem Weg ist Logopädie, Fluency Speaking usw. nur ein Umweg, den man gehen kann. Allerdings kommt man dann seinem Ziel entweder nicht oder nur sehr langsam näher: das stotterfreie Leben.
Das Problem des psychogen stotternden Menschen ist, dass es die Signale außen nicht mit den Signalen seines eigenen Systems überein bringt. Es (sie) fühlt sich unsicher, bewertet sich ständig (schlecht) und macht sich die ganz private Hölle daraus, wie andere angeblich reagieren. Ständig werden Außensignale kritisch interpretiert. Dieses Problem haben ausreichend eitle, von sich überzeugte Menschen nicht.
Der erwachsene, psychogen stotternde Mensch hat viel zu viele Außenantennen aktiviert und viel zu wenig innere Antennen auf Empfang geschaltet. Mit anderen Worten: es wird dauernd gefragt, wie man ankommt – anstatt zu fragen: wie will ich wirklich sein? Was entspricht meinem wahren Selbst? Was will meine Seele? Will ich diese Meinung zu etwas beitragen oder will ich schweigen? Und wenn ich meine Meinung beitrage, dann bitte meine ehrliche Meinung – keine Schaumschlägerei.
Schlussbemerkung
Just in dem Moment, wo der einzelne stotternde Mensch lernt, zu sich selbst zu stehen und darauf zu pfeifen, was die anderen um ihn herum von ihm halten, ist der Mensch kein Stotterer mehr. Und dabei unterstütze ich sehr gerne.
Ein Hinweis für Selbsthilfegruppen
Wenn mich Selbsthilfegruppen einladen, komme ich gerne gegen Erstattung der Reisekosten und führe mit der Gruppe ein Erstgespräch durch. Dies ist ein einstündiger, unterhaltsamer Vortrag mit anschließender Diskussion. Kommen Sie gerne auf mich zu.

